Historie

Entwicklung und Geschichte des Gewerbevereins Reichelsheim:

Handwerkschule 1864 – Gewerbeverein 1900, 1955 und heute

Da von dem Gewerbeverein um das Jahr 1900 keinerlei schriftliche Aufzeichnungen vorhanden waren wurden mündliche Überlieferungen festgehalten und in der folgenden Form im Archiv der Gemeindeverwaltung Reichelsheim aufbewahrt.

Handwerkerschule 1864

Als Vorgängerin der heutigen Berufsschulen hat die Gemeindeverwaltung Reichelsheim schon 1864 in Verbindung mit der Spar- und Leihkasse in Erbach und der Groß-herzoglichen Zentralstelle für die Gewerbevereine und dem Landesgewerbeverein in Darmstadt eine Handwerkerschule in Reichelsheim gegründet.

Der Vorstand dieser Schule setzte sich wie folgt zusammen: Pfarrer Fuchs, Lehrer Treusch, Beigeordneter Dingeldein, Kilian Hering, Philipp Heist, Johannes Dingeldein, Friedrich Volk und Carl Werner.

Die damalige „Sonntagsschule“ war im oberen Geschoß des Rathauses untergebracht und wurde von Lehrer Treusch geleitet. Von 1880 bis 1886 hat ein Lehrer Schuchmann die „Handwerkerschule“ als „Zeichenschule“ geleitet. Das war der Übergang der allgemeinbildenden Handwerkerschule in eine, bis 1927 bestehende Zeichenschule.

Im Jahre 1886 hat ein Georg Wilhelm Heil aus Fränkisch-Crumbach die Leitung der Zeichenschule übernommen. Während des Bestehens der Zeichenschule waren folgende Lehrer tätig:

1886 bis 1909: Georg Heil aus Fränkisch-Crumbach, 1906 bis 1923: Georg Frölich, Zimmermeister aus Reichelsheim, 1909 bis 1915 und 1920 bis 1925: Philipp Trautmann, Schreinermeister aus Reichelsheim, 1915 bis 1920: Eduard Heil aus Fränkisch-Crumbach, 1923 bis 1927: Johannes Dingeldein, Gewerbelehrer aus Reichelsheim.

Der erste Zeichensaal war in der Hausmeisterwohnung im Rathaus eingerichtet, dann in der alten Bürger- oder Landwirtschaftsschule in der Heidelberger Straße 9.

Später zog man in den alten Saal des Gasthauses „Zur Eisenbahn“. Zuletzt bis zum Jahre 1927 war die Zeichenschule im Saal des Friedrich Volk auf dem Marktplatz (Gasthaus „Grüner Baum“) untergebracht. Die Zeichenstunden wurden Sonntag vormittags von 8 bis 12 Uhr gehalten. Da die teilnehmenden Schüler dadurch nicht in die Kirche gehen konnten, kam jeden Sonntag ein Pfarrer in die Zeichenschule und hielt dort eine kurze Andacht.

Auch hat der Gewerbeverein zur damaligen Zeit mit den Zeichenschülern und Lehrern Ausflüge nach Heidelberg, Darmstadt und Mannheim unternommen. Zu dieser Zeit hatten auch die Vorstandsmitglieder des Gewerbevereins mit ansässigen Handwerks-meistern die Gesellenprüfung abgenommen, bis diese Aufgabe nach dem 1. Weltkrieg von den Innungen und Handwerkskammern wahrgenommen wurde.

Durch diese Wandlung und durch die Einführung der Berufsschulen verlor der Gewerbeverein Reichelsheim ein Hauptaufgabengebiet, sodass die aktive Arbeit merklich nachließ und bald ganz einschlief.

Gewerbeverein seit 1955

Trotz der Wirrnisse des 2. Weltkrieges und der Schwierigkeiten haben sich am 11. Dezember 1954 Geschäftsleute aus Reichelsheim entschlossen, das Gewerbe und den Handel in unserer Gemeinde durch die Wiedergründung eines Gewerbevereins zusammenzuführen. Die Einladung hierzu war wie folgt ergangen:

„Gründung eines Gewerbevereins“

Am 11. Dezember 1954 hatten sich 15 Reichelsheimer Geschäftsleute in der Volksschule zusammengefunden, um über die evtl. Neugründung eines Gewerbevereins zu beraten. Nach einer regen Aussprache über die Ziele dieses Zusammenschlusses, waren sich die anwesenden Herren einig, baldmöglichst einen Gewerbeverein ins Leben zu rufen. Es wurden darauf hin die unterzeichneten Herren beauftragt, die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. So setzte man sich zunächst folgende Ziele:

1. Die Belange des ortsansässigen Gewerbes und Handels, wo es möglich war, zu unterstützen und zu fördern.
2. Laufende Werbung für den „Kauf am Platze“ und Arbeitsausführung durch die ansässigen Gewerbetreibenden.
3. Ausgestaltung des Gewerbeschau auf dem Michelsmarkt.
4. Anträge jeglicher Art an die Gemeindeverwaltung, z.B. Senkung der Gemeindesteuer
5. Alle sonstigen Belange, die den Handel und das Gewerbe interessieren.

Diese erste Zielsetzung der Herren Friedrich Klingler, Erwin Gorol, Heinrich Weimar, Konrad Spalt, Ludwig Wendel und Friedrich Dingeldein wurde zum Anlaß genommen, zur stattfindenden Gründungsversammlung am 27. Februar 1955 um 14 Uhr in das Gasthaus „Zum Schwanen“ einzuladen.

Die Wahl des Vorstandes des wiedergegründeten Gewerbevereins sah wie folgt aus:

1. Vorsitzender Friedrich Dingeldein (Schwimmbad-Fritz),
2. Vorsitzender Ludwig Wendel, Schriftführer Rudolf Lein, Rechner Georg Lortz, Beisitzer Valentin Born, Heinrich Weimar und Georg Bickelhaupt.

In den Jahren 1969 und 1970 hatte der Gewerbeverein zum ersten mal mit Erfolg eine Weihnachtsverlosung durchgeführt. Bei der Jahreshauptversammlung 1965 hatte der bisherige 1. Vorsitzende Friedrich Dingeldein seinen Vorsitz an Rudolf Lein abgetreten und weitere junge Mitglieder , wie Bernhard Frölich und Udo Trautmann in den Vorstand gewählt. Friedrich Dingeldein wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Um die umfangreichen Tätigkeiten und die Belebung des Vereins voranzutreiben, wurde in der Jahreshauptversammlung am 14. Juli 1971 der Vorstand erweitert und wie folgt neu gewählt:

1.Vorsitzender Rudolf Lein,
2. Vorsitzender Siegfried Treusch, Geschäftsführer Albert Lannert, Rechnungsführer Georg Stein, Beisitzer: Thierberg, Heinz Lang, Dina Götz und Joachim Eberts, Stellvertreter. Herr Pfeifer und Ludwig Wendel.

Bei dieser Versammlung wurde auch die erste Vereinsatzung des Gewerbevereins vorgestellt und einstimmig genehmigt. Auch wurden die Gewerbetreibenden der Ortsteile Unter-Ostern und Laudenau auf Wunsch in den Gewerbeverein Reichelsheim aufgenommen.

Die Nachfolge von Rudolf Lein trat 1976 Siegfried Treusch an, in dessen erste Amtszeit die Gründung der „Reichelsheimer Nachrichten“ fiel. Im Jahre 1981 übernahm Fritz Hörr den 1. Vorsitz, unter dessen Regie die Vereinssatzung aktualisiert wurde. Nach seinem vorzeitigem Ausscheiden 1983 übernahm wiederum Siegfried Treusch dieses Amt und begründete mit seinen Vorstandskollegen den Reichelsheimer Weihnachts-markt. Mit dem neuen Vorsitzenden Rudolf Erdbrink wurde 1987 auch gleichzeitig eine Verjüngung des Vorstandes durchgeführt. In seiner Amtszeit erfolgte der Umzug der Gewerbeschau von der Reichenbergschule in die neu erbaute Reichenberghalle. Martina Arras war 1995 die erste Frau an der Spitze des GVR. Sie gestaltete erfolgreich die verkaufsoffenen Sonntage an den Märchen- und Sagentagen und begann mit einer Intensivierung der Zusammenarbeit der Gewerbe- und Wirtschaftsvereine im Oberen Gersprenztal. Im Jahr 2002 hat Kai-Uwe Weimar dieses Amt kurzzeitig übernommen. Seit nunmehr 2003 führt Dieter Färber den Gewerbeverein, ihm zur Seite steht als 2. Vorsitzende Christiane Weimar. In diese Zeit fiel die Neugestaltung der Ortsdurchgangsstraßen, die in drei Bauabschnitten erfolgte und für viele Mitglieder mit erheblichen Beschwernissen einherging. Mit besonderen Aktionen zur Information und Bindung der Kunden konnte ein Einbrechen der Verkaufszahlen verhindert werden. Neue Ideen forderte auch der Rückgang der Aussteller- und Besucherzahlen bei der Gewerbeschau und so wurde im Jahr 2005 der MiMaMix ins Leben gerufen – eine gemeinsame Ausstellung von Gewerbetreibenden und Vereinen und Institutionen, die im jährlichen Wandel ein immer neues Erscheinungsbild am Michelsmarkt liefern.

Heute zählt der Gewerbeverein mehr als 110 Mitglieder aus den Bereichen Handel, Handwerk Dienstleistungen, Industrie und Gastronomie. Jährlich wiederkehrende Veranstaltungen im Vereinskalender sind die als abendlicher Einkaufsbummel bekannte Reichelsheimer Nachtschwärmerei, die Gewerbeschau und die Gewinnauslosung am Michelsmarkt, der verkaufsoffene Sonntag an den Märchen- und Sagentagen im Oktober und die Reichelsheimer Weihnachtswochen. Neben diesen Aktivitäten engagiert sich der Gewerbeverein in dem Bereich der Wirtschaftsförderung und der Infrastruktur-verbesserungen in unserer Gemeinde und dem Oberen Gersprenztal.

Texte: Gemeindearchiv, Helga Jost, Harald Kaffenberger

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